Freikirchen begingen Jubiläum "500 Jahre Täuferbewegung"
Mit einem Festgottesdienst bzw. einer Festversammlung haben am Samstag die Freikirchen in Österreich das Jubiläum "500 Jahre Täuferbewegung" und damit gleichsam ihre "Geburtsstunde" gefeiert. 1525 fanden in Zürich die ersten Glaubenstaufen von Erwachsenen statt, die für die Freikirchen charakteristisch sind. Bald erreichte das Täufertum auch Österreich. Von der zweiten Hälfte der 1520er Jahre bis ca. 1625 gab es auch auf dem Gebiet des heutigen Österreichs viele Täufergemeinden, die aber immer wieder unter Verfolgung litten und unzählige Opfer zu verzeichnen hatten. Die damaligen Gemeinden sind die Vorläufer der heutigen Freikirchen.
Die seit 2013 staatlich anerkannten "Freikirchen in Österreich" (FKÖ) umfassen alle Kirchengemeinden, die dem Bund der Baptistengemeinden in Österreich, dem Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich, den Elaia Christengemeinden, der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde in Österreich oder der Mennonitischen Freikirche Österreich angehören. Insgesamt wird die Zahl der Mitglieder der Freikirchen (wenn man auch Kinder und Jugendliche hinzuzählt) auf bis zu 40.000 geschätzt.
Kardinal Christoph Schönborn verdeutlichte in seinem Grußwort beim Festgottesdienst, dass "500 Jahre Täuferbewegung" ein wichtiges Jubiläum für alle Christen sei. "Viel zu lange hat die katholische Kirche die Täuferbewegung und ihre nachfolgenden kirchlichen Gemeinschaften missverstanden, verfolgt und später ignoriert." Das Schuldig-Werden an den Brüdern und Schwestern aus diesem dritten Zweig der Reformation laste auf der Kirche. Die Gnade Gottes "möge die volle Erkenntnis der Schuld bringen, die Wunden heilen und das Vertrauen wieder ermöglichen", so Schönborn wörtlich: "Nur im versöhnten Miteinander können wir als Christen ein glaubwürdiges Zeugnis für unseren Herrn geben." Und der Kardinal fügte hinzu: "Die Stimme der Evangelikalen muss in der Öffentlichkeit als herausfordernde Botschaft des Evangeliums gehört werden."
Plakolm: Miteinander von Kirchen und Staat
Mit einer Video-Grußbotschaft stellte sich Kultusministerin Claudia Plakolm ein. Neben dem Dank für die gute Zusammenarbeit, namentlich mit dem bisherigen Vorsitzenden der Freikirchen, Pastor Franz Gollatz, bekundete Plakolm auch ihr Bedauern über die Verbrechen, die in der Vergangenheit an den täuferisch gesinnten Christinnen und Christen in Österreich verübt wurden. "Heute gedenken wir denen, die dafür gelitten haben, aus ihrem Gewissen heraus zu glauben und zu leben", so Plakolm wörtlich. Dass dieses Jubiläum friedlich begangen werden könne, sei keine Selbstverständlichkeit: "Es ist ein Auftrag an uns alle, Religionsfreiheit zu schützen und Respekt zu leben." Die Trennung von Kirche und Staat dürfe nicht als Gegeneinander, sondern müsse als Miteinander verstanden werden. Sie schaffe für beide Institutionen den Freiraum, in ihren Bereichen Verantwortung für die Menschen zu übernehmen.
Offizieller Ansprechpartner des Freikirchen-Bündnisses ist der "Rat der Freikirchen in Österreich", in dem die fünf Leitungspersonen der Freikirchen vertreten sind. Laut Statut wechselt der Vorsitz alle zwei Jahre. Der scheidende Vorsitzende der FKÖ, Pastor Franz Gollatz, rief die Gemeinden auf, mit der Bibel als Grundlage die Vielfalt der Traditionen und Frömmigkeitsstile als Reichtum zu schätzen. Er unterstrich die Prinzipien der Gewissensfreiheit und der Trennung von Kirche und Staat. Prinzipien, die auch schon vor 500 Jahren die Täufer charakterisierten.
Pastor Peter Zalud, der aktuelle Vorsitzende der Freikirchen, sprach von rund 35 anstehenden neuen Gemeindegründungen. Die Zahl der eingetragenen Mitglieder in den lokalen Kirchen belaufe sich auf rund 25.000 Mitglieder. 12.000 Kinder und Jugendliche würden wöchentlich ermutigt und unterstützt, den christlichen Glauben im Alltag zu leben. Rund 130 Lehrkräfte unterrichten 2.400 Schülerinnen und Schüler im freikirchlichen Religionsunterricht und etwa 500 Personen würden sich in theologischen Ausbildungen auf den geistlichen Dienst vorbereiten.
Zalud zeigte sich mit den Entwicklungen sehr zufrieden. Jedes Mitglied trage seinen Teil zum Erfolg der Freikirchen bei. Kirche sei im Kern "Mission Gottes an seiner geliebten Welt". Es sei wichtig, für Jesus "all in" zu gehen, nicht ideologisch, aber zum Wohle Österreichs. Gerade in Zeiten der Spannungen und Unsicherheit müssten die Gemeinden, basierend auf dem Wort Gottes, Hoffnung und Stabilität bringen. Zalud ermutigte die Gemeinden, in der Welt Salz und Licht zu sein und ortete in Europa mancherorts bereits eine "stille Erweckung" unter der jungen Generation.
Franz Rathmair vom Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden zeichnete in seiner Ansprache die Geschichte der Täufer in Österreich von den Anfängen in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre bis zu ihrer vollständigen Vertreibung rund 100 Jahre später nach. Er wies auch darauf hin, dass die Täuferbewegung keine einheitliche Bewegung gewesen sei, es gab mehrere Zweige und Strömungen. Diese Unterschiede müsse man anerkennen.
Schließlich wurden der neue Vorsitzende Pastor Zalud und die neue FKÖ-Generalsekretärin Claudia Krupensky vom scheidenden Vorsitzenden Pastor Gollatz gesegnet. Für die musikalische Gestaltung der Festversammlung sorgten eine Band aus Mitgliedern aller fünf Bünde sowie ein Chor der Bruderhof-Gemeinde.
Offizieller Vorsitzwechsel
Der offizielle Vorsitzwechsel im Rat der Freikirchen fand bereits am Freitagabend im Rahmen eines Festakts im Novum Hauptbahnhof statt. Dabei bedankte sich Martin Fischer als Vertreter des Kultusamts beim scheidenden Vorsitzenden Pastor Gollatz für die gute Zusammenarbeit und drückte seine Anerkennung für die Führung der Kirche in schwierigen Zeiten aus.
Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Österreich, Oliver Stozek, zeigte sich in seinem Grußwort überzeugt, dass die Freikirchen in Österreich eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen werden. Gollatz selbst rief die Bünde in den Freikirchen in Österreich zur bleibenden Einheit auf, auch in der Vielfalt der verschiedenen Traditionen und Frömmigkeitsstile. Der neue Vorsitzende Pastor Zalud hob als wichtiges Anliegen seiner Amtszeit hervor, die Kommunikation nach innen und außen zu verbessern, neue Gemeinden zu gründen und junge Leiterinnen und Leiter zu fördern.
Dritter Flügel der Reformation
Die Täufer waren im 16. Jahrhundert Teil des reformatorischen Aufbruchs. Sie bildeten neben den Lutheranern und Reformierten den dritten Flügel der Reformation. Die Täufer vertraten die Auffassung, dass nur die von mündigen Christen begehrte und an ihnen vollzogene Taufe dem Neuen Testament entsprechen würde. Die Taufe unmündiger Kinder lehnten sie ab. Von ihren Gegnern wurden sie bald negativ als "Wiedertäufer" bezeichnet. In Zürich vollzogen im Jänner 1525 u. a. Konrad Grebel, der einige Jahre zuvor in Wien studiert hatte, und Felix Mantz die erste Glaubenstaufe.
Die Täufer wollten sich nicht nur durch die Erwachsenentaufe, sondern ganz generell durch eine noch stärkere Ausrichtung allein an der Bibel von anderen Reformatoren absetzen. Aber allein schon die Erwachsenentaufe setzte Glaubensfreiheit voraus, die jedoch weder die Regierenden noch die anderen Kirchen gewähren wollten. So wurden die Täufer von Anfang an fast in allen Ländern schwer verfolgt, in die Flucht getrieben und zu Tausenden hingerichtet.
Ausgehend von der Schweiz verbreitete sich die Bewegung trotzdem über ganz Europa, schon nach kurzer Zeit auch in Österreich und in Mähren. Einer der ersten Protagonisten in Wien war Balthasar Hubmaier, einst römisch-katholischer Priester und einer der bedeutendsten Theologen der Täuferbewegung. Er wurde 1528 in Wien hingerichtet. Eine Gedenktafel am Stubentor erinnert daran.
Die südmährische Grafschaft Nikolsburg war eines der wenigen Refugien für viele tausend Täufer, die aus ganz Österreich dorthin flohen und täuferische Gütergemeinschaften, die Hutterischen Bruderhöfe, gründeten. Die Täufer wurden hier nach Jakob Hutter, der 1536 in Innsbruck hingerichtet wurde, Hutterer genannt. In Mähren lebten schließlich rund 20.000 Täufer, Bruderhöfe der Hutter gab es aber auch im Weinviertel, das auch "Ketzerwinkel" genannt wurde. Die Täufer wurden im 16. Jahrhundert immer wieder unterschiedlich lang und intensiv verfolgt, unter Kaiser Ferdinand II. mussten sie schließlich 1625 entweder zur katholischen Kirche konvertieren oder auswandern. Viele wählten die zweite Option.
Die Hutterer zogen weiter bis nach Russland, viele emigrierten später in die USA, nach Kanada oder Paraguay. Die Täuferbewegung (Mennoniten, Hutterer, u. a.) ist der Vorläufer der heutigen Freikirchen. Diese umfassen nach eigenen Angaben weltweit ca. 680 Millionen Christen. Heute leben beispielsweise noch etwa 50.000 Hutterer in den USA und in Kanada auf großen Höfen mit bis zu 100 Bewohnern.
(Infos: www.freikirchen.at)
Quelle: kathpress