Krieg im Heiligen Land: Wo bleiben die Stimmen der Religionen?
Das Bruno Kreisky Forum lud vor Kurzem zu einer Veranstaltung nach Wien, die unter dem Titel "Religion und Ethik in Zeiten des Krieges" stand. Als Referenten gekommen waren der US-Rabbiner Brant Rosen, der (muslimische) US-Friedensforscher Mohammed Abu-Nimer und der palästinensische evangelische Theologe Mitri Raheb. Am Rande der Veranstaltung nahmen die drei im Rahmen eines Pressegesprächs mit deutlichen Worten zum Krieg im Heiligen Land Stellung. Übereinstimmend hielten die drei fest, dass der Konflikt mit Gewalt nicht zu lösen sei. Keine Seite werde so in Freiheit, Frieden und Würde leben könne. Keine politische Ordnung, die auf Gewalt beruht, habe letztlich Bestand.
Rabbiner Rosen sprach wörtlich von einem "Genozid in Gaza". Sein jüdischer Glaube und die damit verbundenen Werte - "das sind heilige Werte, alle Menschen sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen" - würden ihn dazu drängen, dies auszusprechen. Rosen leitet eine jüdische Gemeinde in Chicago, die nach seinen Worten aus rund 400 Familien besteht.
Nur eine Minderheit innerhalb des Judentums würde seine Position vertreten, räumte Rosen ein. Zu seiner Überzeugung zu stehen, habe seinen Preis, doch jetzt sei die Stunde der Wahrheit, so der Rabbiner. Wer Gerechtigkeit mit Palästinensern einfordert, sei nicht automatisch ein Feind des Judentums, betonte Rosen, ganz im Gegenteil. Er vermisse in dieser Hinsicht auch religiöse Stimmen aus dem Judentum, die sich gegen den Genozid und für Gerechtigkeit einsetzen.
Auch Prof. Abu-Nimer bezeichnete den Krieg bzw. Konflikt im Heiligen Land als u.a. ein "Versagen der religiösen Führer". Allen Religionen gemeinsam seien Werte wie Friede, Gerechtigkeit oder Versöhnung. Diese würden zu wenig für alle Seiten gemeinsam eingemahnt. Wie Rabbiner Rosen gebrauchte auch Abu-Nimer klare Worte. Er sprach von einem von Israel verantworteten "Apartheidsystem". Abu-Nimer ist Professor an der School of International Service der American University in Washington.
Rosen und Abu-Nimer zeigten sich zudem besorgt über die Entwicklung, dass es in den USA immer schwieriger werde, die Stimme für die Palästinenser zu erheben, denn jede Stimme gegen die israelische Politik werde kriminalisiert.
"Der Gott des Krieges kehrt zurück"
"Der Gott des Krieges kehrt zurück", sagte Mitri Raheb in seinem Statement. Was in Gaza passiert, sei ein Wendepunkt der Geschichte. Die Theologie werde nach Gaza nicht mehr die gleiche sein wie zuvor, zeigte sich der Theologe überzeugt. Das Level der Dehumanisierung sei unerträglich, so Raheb. Das Leben eines Palästinensers sei nichts mehr wert. Der Theologe aus Betlehem übte heftige Kritik an der aktuellen US-Regierung und ihrer Verquickung mit christlichen zionistischen Strömungen. Deren Devise laute: "Alle Rechte für Israel, keine Rechte für die Palästinenser." Sogar das Leid der palästinensischen Christen spiele für diese Strömungen keine Rolle.
Westlichen Regierungen warf Raheb vor, immer noch zu sehr aufseiten Israels zu stehen, aus Angst, bei jeder Kritik als antisemitisch gebrandmarkt zu werden. Diesen Befund teilten auch Rosen und Abu-Nimer. Der Westen habe bei den Palästinensern jede Glaubwürdigkeit verspielt.
Missbrauch der Religion
Alle internationalen Institutionen bzw. Regelungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden, um einen weiteren Weltkrieg zu verhindern, sind laut Raheb zutiefst gefährdet. "Wie kann man heutzutage mit der Verletzung von Menschenrechten davonkommen? Das geht nur, wenn man sich auf eine Kraft, die größer ist als das Menschliche, bezieht - das göttliche Recht", warnte Raheb vor dem Missbrauch von Religionen für politische Zwecke, weit über den Nahostkonflikt hinaus.
In allen drei abrahamitischen Schriften - Koran, Thora und Bibel - könne man, isoliert betrachtet, Texte für und gegen Menschenrechtsverletzungen finden. "Beides ist in den Schriften vorhanden. Was wir in den Schriften finden, sagt weniger über die Texte als über uns aus", so Raheb. Und weiter: "Für mich sind diese Schriften wie ein Spiegel. Du findest dort, was du bist." Die Auslegung der Texte liege daher "in unserer Verantwortung.