Erste evangelische Bischöfin Österreichs ins Amt eingeführt

Cornelia Richter ist am Samstag als erste Bischöfin der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich in ihr Amt eingeführt worden. Ihr Vorgänger Michael Chalupka wurde im Rahmen des Gottesdienstes im Wiener Museumsquartier feierlich verabschiedet. Die 54-jährige Theologin wurde Ende Mai im ersten Wahlgang von der Synode zur neuen Bischöfin gewählt. Ihre Amtszeit beträgt zwölf Jahre. Mit der Amtseinführung tritt Richter ihr gesamtösterreichisches Leitungsamt an.
Der Amtseinführungsgottesdienst fand im Museumsquartier in Wien statt. Mehr als 1.000 Menschen feierten mit. Neben Vertreterinnen und Vertretern aus den Evangelischen Kirchen in Österreich und den Nachbarländern waren auch Persönlichkeiten aus der Ökumene und dem öffentlichen Leben anwesend - neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seiner Frau Doris Schmidauer, Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Grünen-Bundessprecherin Leonore Gewessler. Seitens der römisch-katholischen Kirche nahmen der ernannte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl und der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer teil, der in der Bischofskonferenz für den Bereich Ökumene zuständig ist.
Als Predigttext hatte die neue Bischöfin das Magnificat, den Lobgesang der Maria, aus dem Lukasevangelium gewählt, ein "Lied der Menschheitsgeschichte weit über die Ökumene hinaus", weil es "Glaubenszeugnis" und "Sehnsuchtstext" zugleich sei, wenn davon erzählt werde, "dass das Wunder geschieht, das niemand mehr erwartet". Diesen Lobgesang bezeichnete Richter als eine "Hymne des Dankens, des Vertrauens und des Zutrauens in die weltbewegende Macht Gottes - und zwar genau da, wo es im Leben anders gekommen ist als erwartet". Solche Botschaften seien wichtig, gerade in unruhigen Zeiten.
Bischöfin Richter: Vision der Bergpredigt gegen Hass und Gewalt
Fröhliche Lieder anzustimmen falle vielen schwer angesichts von Kriegsrhetorik, Pflegenotstand oder Klimakrise. Näher liege da oft Rückzug und Eskapismus in die eigene kleine Welt. Hier brauche es jemanden, "der uns sagt: 'Fürchte dich nicht'", ist Richter überzeugt. Und es brauche eine Gemeinschaft, "die sich "nicht schrecken lässt von dem, was ist. Sondern die zupackig auf die Dinge zugeht." Um die Dinge gemeinsam anzupacken, brauche es die gelebte Vision der Bergpredigt, "gegen all die Gewalt und den Hass da draußen, gegen den Terror und Krieg in der Welt, würden wir Tag für Tag all unser Vertrauen darauf setzen, dass Gott die Gewaltigen vom Thron stößt, die Niedrigen erhebt und die Hungrigen satt werden lässt. Was für eine großartige Vision, was für eine Quelle neuer Hoffnung und Kraft", sagte Richter und appellierte an die Mitfeiernden: "Kommt, lasst es uns versuchen! Ich bin gewiss, dass aus dieser Vision auch in der Zukunft noch Zeichen und Wunder geschehen."
Synodenpräsidentin Monjencs dankt Bischof Chalupka
Im Gottesdienst übergab der scheidende Bischof das Amtskreuz an seine Nachfolgerin. Synodenpräsidentin Ingrid Monjencs verlas die Bestellungsurkunde. Als "erste Pfarrerin" der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich obliege Bischöfin Cornelia Richter die geistliche Leitung "im ständigen Blick auf die Einheit der Kirche". Die Amtseinführung selbst nahm der scheidende Bischof Michael Chalupka vor. Dabei assistierten ihm die Vizepräsidentin des Lutherischen Weltbundes, Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, der Wiener Superintendent Matthias Geist, die Golser Pfarrerin Iris Haidvogel und der Pfarrer aus Bad Goisern, Günther Scheutz.
Professorin und Expertin in Resilienzforschung
Die gebürtige Oberösterreicherin und Österreichs erste evangelische Bischöfin stammt aus Bad Goisern und lehrt seit 2012 in Bonn als Professorin, zunächst für Systematische Theologie, seit 2020 hat sie die Professur für Dogmatik und Religionsphilosophie inne. 2020 bis 2024 leitete sie als erste Dekanin die Evangelisch-Theologische Fakultät, seit 2024 war sie die erste weibliche Vorsitzende des Senats der Universität Bonn.
Neben den aktuellen theologisch-dogmatischen Arbeitsschwerpunkten ist Richter Expertin im interdisziplinären Feld der Resilienzforschung. Während ihrer umfassenden Lehrtätigkeit in Deutschland hat Richter den Kontakt zu ihrer oberösterreichischen Heimat nicht abreißen lassen. Als Pfarrerin im Ehrenamt gestaltete sie dort u.a. Gottesdienste und Amtshandlungen. In verschiedenen Bereichen arbeitete Richter in den vergangenen Jahren in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), der Evangelischen Kirche im Rheinland sowie der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich mit. Die Theologin ist zudem Co-Direktorin des Instituts für Hermeneutik und seit 2024 Universitätspredigerin an der Schlosskirche in Bonn.
Im Mai gewählt
Die 54-jährige Richter war Ende Mai im ersten Wahlgang von der Synode der Evangelischen Kirche A.B. in Wien zur neuen Bischöfin gewählt worden. Ihre Amtszeit beträgt zwölf Jahre. Der mit Samstag emeritierte evangelische Bischof, Michael Chalupka hatte am 21. Juli sein 65. Lebensjahr vollendet und wird mit 1. Jänner 2026 in den Ruhestand treten. Bis dahin wolle Chalupka "noch für knapp zwei Monate der neuen Bischöfin mit Rat und Tat zur Seite stehen", wie es hieß. Chalupka war vor seiner Wahl zum Bischof langjähriger Direktor der Diakonie Österreich.
Am Freitag hatte die Evangelische Kirche anlässlich der Verabschiedung Chalupkas zu einem Empfang ins Wiener Albert Schweitzer Haus geladen. Chalupka, der 2019 in das Bischofsamt gewählt wurde und nun nach Erreichen der Altersgrenze seine Pension antritt, erinnerte bei dem Empfang an die große evangelische Theologin Susanne Heine, die er ebenso wie die neue Bischöfin Cornelia Richter an der Universität als Lehrerin erlebt hatte. Heine habe davon gesprochen, dass in der Bibel Lebenserfahrungen der Menschen "eingefroren" seien. Es brauche Menschen, die "diese Erfahrungen wieder auftauen", sagte Chalupka. Die Aufgabe als Christin bzw. als Theologin bestehe darin, "die Erfahrung der Versöhnung, Errettung und Veränderung wieder fruchtbar zu machen für unsere Zeit". Gerade in der Evangelischen Kirche, so Chalupka, "erproben wir immer wieder neue Welten und eine andere Art zu leben". Im besten Fall sei "die ganze Kirche ein Erprobungsraum und Experimentierfeld einer besseren Welt", so der nun emeritierte Bischof.
Anlässlich des Amtsantritts von Richter als Bischöfin der Evangelischen Kirche A.B. gab es zuvor einen Austausch zwischen Kultusministerin Claudia Plakolm, dem emeritierten evangelischen Bischof Michael Chalupka und dessen Nachfolgerin, Bischöfin Richter. Plakolm gratulierte Richter zur neuen Leitungsfunktion und sah einer positiven Zusammenarbeit entgegen. "Bischof Michael Chalupka danke ich für sein langjähriges und beherztes Engagement in Kirche und Diakonie", hieß es in einer Aussendung. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen unter anderem die Einheit der Christen, die kooperative Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat und Vorhaben für die kommenden Jahre. Richter und Chalupka deponierten auch den Wunsch, dass die Evangelische Kirche, die seit mehr als 500 Jahren Teil der österreichischen Identität ist, in der Erinnerungskultur einen wahrnehmbaren Platz einnehme, "weil es für die Identität der Republik wichtig ist, dass die christliche Einheit auch in der Vielfalt dokumentiert wird", so Chalupka. Auch die "offene Wunde" des Karfreitags war Thema des Gedankenaustauschs.
Evangelische in Österreich
In Österreich leben rund 237.000 evangelische Christinnen und Christen A.B. (Augsburger Bekenntnis), rund 11.000 evangelische Christinnen und Christen H.B. (Helvetisches Bekenntnis) sowie ca. 1.500 evangelisch-methodistische Christinnen und Christen. Unter den rund 9 Millionen Einwohnern Österreichs stellen die Evangelischen einen Bevölkerungsanteil von drei Prozent.
Quelle: kathpress
