Wiener Metropolit: Papst und Patriarch "keine Rivalen, sondern Brüder"

Der Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) hat den aktuellen Besuch von Papst Leo XIV. beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in Istanbul als ein "historisches und geistliches Ereignis" bezeichnet. Im Interview mit der deutschen Wochenzeitung "Die Tagespost" (Freitag) verwies er auf den "Weg der Wiederbegegnung" zwischen orthodoxer und katholischer Kirche seit den 1960er Jahren. Die Reise des Papstes sei ein deutliches Zeichen für dessen Offenheit gegenüber der Ökumene, die auch Bartholomaios teile. Zugleich erinnere der Besuch an das 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nizaä (Nicäa), was der Begegnung "eine ganz neue Dynamik" gebe. Die christliche Präsenz in der Türkei sei "von prophetischer Bedeutung".
Leo XIV. suche wie seine Vorgänger im Papstamt den Dialog mit der orthodoxen Kirche. "Die Einheit kommt nicht durch Macht oder politische Mechanismen, sondern durch Demut, Gebet und Buße", zeigte sich der Metropolit Arsenios überzeugt. Die wechselseitigen Besuche des Ökumenischen Patriarchen in Rom und der Päpste in Istanbul seien "Bausteine im ökumenischen Miteinander". In den vergangenen Jahrzehnten sei ein "Weg des Respekts, des Vertrauens, der Hoffnung und des Willens zur Begegnung" entstanden. Der Bischof von Rom und der Bischof von Konstantinopel begegneten einander heute "nicht als Rivalen, sondern als Brüder", so Arsenios.
Er "wolle glauben", so der Metropolit von Austria weiter, dass die Päpste und der Ökumenische Patriarch die gleiche Vision von der Einheit der Christen haben: "Vielleicht aber weniger die Kurie, die Kommissionen und die Theologen. Die Vision sollte die Einheit sein, so wie Christus sie will: eine perfekte Einheit, die den anderen nicht dominiert oder unterdrückt, sondern ihn respektiert, ihn als Bruder und Weggefährten sieht."
Als Grundlage für weitere Schritte nannte er den Blick auf die gemeinsame Kirchengeschichte im ersten Jahrtausend, das Vertrauen auf den Heiligen Geist, aber auch die Bereitschaft, "etwas zu opfern und aufzugeben". Auf die Frage, ob für die volle Einheit ein weiteres Jahrtausend nötig sei, sagte er: "Ich glaube, es genügt ein Tag!" Es gebe zwar noch keine volle Einheit des Glaubens, aber "kein unüberwindbares Hindernis".
Innerorthodoxe Debatte über Ökumene
Zur innerorthodoxen Debatte über die Ökumene stellte der Wiener Metropolit fest: "Es ist eine kleine Gruppe, die dem Papst ebenso wie dem Ökumenischen Patriarchen vorwirft, Häretiker zu sein." Einige orthodoxe Kirchen seien tatsächlich gegen die Ökumene. Die "Stimmen des normalen Denkens", die den Dialog unterstützten, würden jedoch stärker, so Arsenios: "Ich bin hoffnungsvoll."
Die Bedeutung des Patriarchats von Konstantinopel trotz der heute nur mehr geringen Zahl orthodoxer Christen in der Türkei beschrieb der Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit geistlich und historisch. "Das Patriarchat ist ein Licht in der Dunkelheit." Es sei Symbol und Garant der Einheit der Christen, "geistliches Zentrum" der orthodoxen Christenheit und damit "geistlicher Bezugspunkt aller autokephalen Kirchen".
Hoffnung auf Chalki-Wiedereröffnung
Im Verhältnis von türkischer Regierung und Ökumenischem Patriarchat sieht Arsenios "viele positive Schritte und Veränderungen" unter Staatspräsident Recep Erdogan. Patriarch Bartholomaios werde mittlerweile "häufig mit seinem offiziellen Titel zitiert oder eingeladen". Viele orthodoxe Metropoliten hätten auch die türkische Staatsbürgerschaft erhalten, was von großer Bedeutung für die Möglichkeit einer Nachfolge des Patriarchen ist und für die Vitalität der Kirche in der Türkei sei, erklärte Arsenios. Ebenso seien viele Kirchen restauriert und Schulen wiedereröffnet worden.
Mit Blick auf eine für das Ökumenische Patriarchat sehr wichtige Wiederaufnahme des Betriebs der 1971 staatlicherseits geschlossenen orthodoxen Theologischen Hochschule von Chalki hofft Arsenios auf eine Lösung. Die türkische Regierung arbeite daran, sagte der Metropolit der "Tagespost": "Der türkische Präsident will das, weil eine Wiedereröffnung nicht nur für das Patriarchat gut wäre, sondern auch für die Türkei, die sich als offenes Land und moderne Demokratie zeigen könnte." Allerdings wolle die Türkei nicht auf internationalen Druck reagieren, sondern aus eigener Entscheidung handeln, so Arsenos: "Chalki konnte schon in osmanischer Zeit arbeiten - warum sollte das in demokratischen Zeiten nicht möglich sein?"
Quelle: kathpress
