Evangelische Bischöfin: Religionsdialog in Österreich beispielhaft

Die neue evangelisch-lutherische Bischöfin Cornelia Richter hat den Dialog der Religionen in Österreich als beispielhaft gewürdigt. Die ökumenische Zusammenarbeit erlebe sie als respektvoll und partnerschaftlich, Begegnungen fänden "auf Augenhöhe" statt, sagte sie in einem Interview mit der Austria Presseagentur (APA, Sonntag). Besonders hob Richter hervor, dass ihr bei ihrer Amtseinführung auch zwei Vertreter der römisch-katholischen Kirche - der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl und Ökumene-Bischof Manfred Scheuer - den Segen erteilt hätten. Dies sei ein Zeichen gelebter Zusammenarbeit, das sie in dieser Form aus Deutschland nicht kenne.
Über den kirchlichen Bereich hinaus plädiert die Bischöfin für eine stärkere Einbindung von Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in politische Entscheidungsprozesse. Diese sollten zwar keine Parteipolitik betreiben, könnten aber bei gesellschaftlich relevanten Themen wie Bildung, Gesundheit oder sozialem Zusammenhalt wertvolle Perspektiven einbringen. Erste Gespräche mit politischen Verantwortungsträgerinnen und -trägern seien bereits geführt worden und hätten sie in diesem Anliegen bestärkt.
Ein zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen Richters bleibt der Karfreitag. Die Abschaffung des gesetzlichen Feiertags habe sie "entsetzt", sagte sie. Sie wolle sich - wie ihre Vorgänger - weiterhin für dessen Anerkennung einsetzen: "Das ist ein Thema, bei dem ich nicht nachgeben werde." Der Karfreitag sei nicht nur ein kirchlicher Gedenktag, sondern habe eine grundlegende kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Bedeutung. Politisch Verantwortliche sollten ihn auch als ihren Feiertag begreifen, da die biblische Leidensgeschichte von einem Menschen erzähle, "der in der Gesellschaft etwas verändern wollte, hochgejubelt und dann ebenso schnell fallen gelassen wurde".
Enormes Interesse an erster Bischöfin
Richter wurde im Mai zur ersten Frau an der Spitze der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich gewählt und ist seit Anfang November im Amt. Unerwartet sei für sie vor allem das große mediale Interesse an ihrer Person gewesen. Sie hoffe jedoch, dass sich die öffentliche Aufmerksamkeit künftig stärker auf inhaltliche Fragen konzentriere und weniger auf ihre Rolle als erste Frau in diesem Amt: "Wenn sich die Aufregung um die erste Frau ein bisschen gelegt hat, dann sollten natürlich auch die Sachthemen in den Vordergrund kommen."
Auch innerhalb der Kirche ist das Interesse an der neuen Bischöfin groß. Zahlreiche Gemeinden wünschen sich ihren Besuch, berichtete Richter. Dabei begegne sie vielen engagierten Initiativen vor Ort. Ihr Terminkalender sei bereits bis Ende 2026 gefüllt.
Theologie und Forschung
Die aus Bad Goisern stammende Theologin lehrt seit 2012 in Bonn und wird diese Tätigkeit zwar reduzieren, aber nicht vollständig aufgeben. Ihre wissenschaftliche Arbeit versteht Richter als Ergänzung zu ihrem geistlichen Amt. Theologie und Forschung dienten Kirche und Gesellschaft gleichermaßen, betonte sie. Dieses Wissen wolle sie gezielt in die Gemeinden einbringen. Besonders ihre Expertise in der Resilienzforschung sehe sie als hilfreich für gesellschaftspolitische Fragestellungen, etwa im Bereich Gesundheit.
In diesem Zusammenhang sprach sich Richter klar für einen Ausbau der Palliativmedizin aus, insbesondere vor dem Hintergrund der Legalisierung des assistierten Suizids in Österreich. "Dieses Thema betrifft ja nicht nur schwerkranke Menschen, sondern auch die Angehörigen, Therapeuten und das Pflegepersonal." Jeder begleitete Suizid habe weitreichende Auswirkungen, weshalb sie immer darauf setzen, dass man die Palliativmedizin ausbaut."
Als Beispiel für komplexe ethische Spannungsfelder nennt Richter auch den Fall der drei Goldensteiner Ordensschwestern. "Diese Nonnen stehen auf sehr ungewöhnliche Weise für sich ein." Der Fall sei aber komplex: Auf der einen Seite stehe das hohe Gut der autonomen Entscheidung alter Menschen, die in jedem Fall respektiert werden sollte, auf der anderen Seite stehe die Fürsorgepflicht. Mit diesem Dilemma seien viele Angehörige vertraut, und mit dem Wunsch nach Autonomie, der - auch aus Sorge um betagte Menschen - für Angehörige oft kaum auszuhalten sei. Zugleich falle es schwer, loslassen zu können.
Missbrauch und Antisemitismus aufarbeiten
Große Bedeutung misst Richter zudem der Aufarbeitung von Missbrauch in Institutionen bei. Fälle wie jener der SOS-Kinderdörfer zeigten, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handle. Umso wichtiger sei eine konsequente Aufarbeitung. Der Weg, den die römisch-katholische Kirche in Österreich, aber auch die evangelische Kirche gegangen sei, bezeichnete sie als vorbildlich. "Ich hätte mich nicht dieser Wahl gestellt, wenn das nicht bereits gut geregelt gewesen wäre", betonte Richter. Die hierzulande bestehenden Regelungen hätten auch für ihre Bereitschaft zur Kandidatur eine Rolle gespielt.
Ein weiteres zentrales Anliegen ist für Richter die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in protestantischen Kontexten. Als ehemalige Antisemitismusbeauftragte der Universität Bonn sei ihr dieses Thema besonders wichtig. In Österreich wolle sie sich noch vertieft informieren. Dass in Wien Informationstafeln zu antisemitisch belasteten Kirchenfenstern beschädigt wurden, bezeichnete sie als "hochgradig bedenklich", da dies zeige, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema noch nicht abgeschlossen sei.
Quelle: kathpress
