Blick auf jüdisches Leben in Österreich: Hillel-Award 2025 vergeben
In Wien wurde am Montagabend erstmals der "Hillel-Award" vergeben. Prämiert wurden im Rahmen einer Feierstunde im Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien herausragende vorwissenschaftliche Arbeiten von Schülerinnen und Schülern. Der vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit vergebene Preis soll junge Menschen dazu ermutigen, sich intensiver mit der Thematik jüdischen Lebens in Österreich zu befassen und sich verstärkt gegen Antisemitismus einzusetzen, so der Tenor des Abends. Grußworte kamen von Ministerin Claudia Plakolm, IKG-Präsident Oskar Deutsch und Bischof Tiran Petrosyan, dem Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ).
Drei Arbeiten wurden ausgezeichnet: Olivia Sophie Predl vom Gymnasium und Realgymnasium Pressbaum/NÖ schrieb über die Bildungssituation jüdischer Mädchen der Wiener Oberschicht zwischen 1900 und 1938, Anne-Catherine Daniell vom Stiftsgymnasium Admont beleuchtete die jüdische Kultur in Österreich bis 1938 und deren Einfluss auf die österreichische Kultur. Die beiden wurden ebenso ausgezeichnet wie Samuel Elias Wallmannsberger vom Akademischen Gymnasium Innsbruck für seine Arbeit über Verschwörungstheorien und Antisemitismus.
Für zwei Arbeiten gab es Ehrungen: für Lorenz Ebner vom Akademischen Gymnasium Linz für seine Arbeit über Antisemitismus in Wien um 1900 am Beispiel Gustav Mahlers und für Anna Malliga vom Bischöflichen Gymnasium Augustinum in Graz für ihre Arbeit "Zwischen halal, koscher & Co: ein interreligiöses Viergänge-Menü". Die Preise im Gesamtwert von 1.000 Euro wurden von der Publizistin Ruth Steiner und ihrer jüdischen Freundin Elfriede Machek gestiftet.
Petrosyan: "Ein Zeichen der Hoffnung"
Der Hillel-Award sei weit mehr als eine Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche Leistungen junger Menschen, so Bischof Petrosyan in seinem Grußwort: "Er ist ein Zeichen der Hoffnung. Hoffnung darauf, dass unsere Gesellschaft - gerade durch die nachkommende Generation - achtsamer, gerechter und dialogfähiger wird."
Für die Kirchen sei die Auseinandersetzung mit jüdischem Leben nicht nur eine historische Verpflichtung, sondern ein geistlicher Auftrag. "Die Geschichte der Judenverfolgung und des Antisemitismus, an der auch christliche Kirchen mit Schuld tragen, verpflichtet uns zu Wachsamkeit, zu selbstkritischer Erinnerung und zu gelebter Solidarität mit jüdischen Gemeinden heute", betonte der ÖRKÖ-Vorsitzende. Deshalb sei jede Initiative wie eben auch der Hillel-Award ein "Moment der Umkehr und der Erneuerung".
Es berühre ihn sehr, so der Bischof, "dass junge Menschen sich mit solch ernsthaften Themen wie jüdischer Kultur, Erinnerung und den Gefährdungen durch Antisemitismus auseinandersetzen". Ihr Engagement sei ein wertvoller Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog, "den wir als Kirchen mit Demut und Entschlossenheit weiterführen wollen".
Deutsch: Kampf gegen Antisemitismus und Hass
Der Preis werde hoffentlich viele junge Menschen dazu ermutigen, sich mit der Thematik jüdischen Lebens zu befassen und sich gegen Antisemitismus einzusetzen, sagte IKG-Präsident Deutsch in seinem Grußwort: "Dieser Preis kommt in diesen herausfordernden Zeiten zur richtigen Zeit. Denn der Kampf gegen Antisemitismus und Hass ist heute leider notwendiger denn je."
Mit dem 7. Oktober 2023 habe für Jüdinnen und Juden eine neue Zeitrechnung begonnen. Immer noch seien 58 israelische Geiseln in der Gewalt der Hamas. "Wir werden nicht ruhen, bis alle wieder zu Hause bei ihren Lieben sind", so Deutsch. Die Folge des Massakers vom 7. Oktober habe jedoch keine Solidarität mit Israel hervorgebracht, "vielmehr sehen wir uns seither enthemmtem Hass gegen Jüdinnen und Juden weltweit gegenüber". Das spüre man leider auch in Wien. Er bekomme immer wieder Berichte von jüdischen Schülern, "die ihre jüdische Identität nicht mehr zeigen können, die verbal oder auch physisch angegriffen werden", berichtete Deutsch.
Besonders in den Schulen müsse man daher gemeinsam gegen den Hass vorgehen. Umso mehr schätze er die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler aus ganz Österreich, die geehrt und ausgezeichnet werden.
Deutsch sprach vom gemeinsamen Auftrag, sich gegen Hass und Menschenfeindlichkeit zu wenden: "Es liegt an uns allen, dass wir niemals nachlassen dürfen im Kampf für eine Welt, in der jede Person unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion oder ihrem Geschlecht Frieden und Würde leben kann."
Plakolm: Verantwortung übernehmen
Ministerin Plakolm bezeichnete den Hillel-Award in einem zugespielten Video als wichtige Motivation für junge Menschen, sich mit dem "christlich-jüdischen Miteinander" zu beschäftigen. Österreich sei ein Land, "das intensiv durch das Christentum und auch durch das Judentum geprägt ist". Es sei wichtig, sich dessen stets bewusst zu sein, "darauf stolz zu sein und auch darüber zu sprechen". Sich mit Geschichte und Glauben auseinanderzusetzen, sei der erste Schritt, um Verantwortung für das Miteinander in der Gesellschaft zu übernehmen.
"Hillel der Ältere"
Namensgeber des Awards ist der legendäre jüdische Tora-Gelehrte "Hillel der Ältere" aus dem ersten Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Er galt als sanftmütig und geduldig. Im Talmud wird berichtet, dass er den Kern der Tora in einem Satz zusammengefasst hat. Er entspricht der sogenannten "Goldenen Regel": "Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht an." Und er fügte hinzu: "Das ist die ganze Tora. Alles andere sind Hinzufügungen. Geh und lern sie!"
Christlich-jüdische Lebensweise
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak erzählte in ihrer Festansprache, dass sie jene Aussage Hillels seit einigen Jahren ihren Studierenden im ersten Semester vortrage. Mit dieser Geschichte könne sie ihren Studierenden nicht nur anschaulich und prägnant das Anliegen ihres Faches erklären, sondern auch bestens begründen, wozu das Studium der Theologie notwendig und wichtig sei: "Für Rabbi Hillel ist die Thora nicht nur Wissen, sondern eine Lebensweise. Und im Idealfall zielt auch das Studium der Theologie nicht primär auf Wissensvermittlung, sondern möchte dabei unterstützen, dass der christliche Glaube eine Lebensweise werden kann."
Dazu bedürfe es selbstverständlich entsprechender Kenntnisse über den Inhalt des Glaubens, aber alles Wissen stehe im Dienst der Förderungen "einer Lebensweise, die zum einen intellektuell redlich ist und vor der Vernunft bestehen kann; zum anderen das Leben jedes und jeder Einzelnen sowie der ganzen Gesellschaft transformiert". - Das sei das "Programm" des Judentums und auch des Christentums.
Der innere Sinn, das Ziel des gläubigen Lebens als Praxis sei Nächstenliebe: bei Hillel zum Ausdruck gebracht in der Goldenen Regel. Polak: "Manchen scheint dies banal, viel zu einfach: Für die Nächstenliebe brauch ich doch nicht studieren! In seinem lebenslangem Einsatz als Lernender und Lehrender zeigt Rabbi Hillel, das dies nicht stimmt."
Dass das Gebot der Nächstenliebe zu befolgen nicht so einfach ist, zeige überdies die Geschichte der Gewalt und Inhumanität - "und auch unsere Gegenwart, die von Hass, Gewalt und Krieg geprägt ist", so die Pastoraltheologin. Fazit: "Nächstenliebe will also gelernt werden. In der Praxis, die durch Theorie bzw. Theologie erschlossen, begleitet, reflektiert und bewertet wird."
Der "Hillel Award" wird künftig jährlich vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit vergeben, jeweils am letzten Montag im Mai.
(Infos: www.christenundjuden.org)
Quelle: kathpress