Nach vier Jahren pandemiebedingter Pause trafen sich in Brüssel von 27. Februar bis 1. März die Generalsekretärinnen und -sekretäre der nationalen Christenräte erstmals wieder seit 2019 in Präsenz. Knapp 20 Teilnehmenden waren dazu aus Belgien, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Irland, Wales und England angereist. Der ÖRKÖ wurde von Pastorin Esther Handschin vertreten. Ein wesentlicher Programmpunkt war die Vorbereitung des KEK-Vollversammlung von 14. bis 20. Juni in Tallinn (Estland). Die Versammlung steht unter dem Motto "Under God's blessing - shaping the future."
Der "Konferenz Europäischer Kirchen" (CEC/KEK) gehören 113 orthodoxe, anglikanische, altkatholische, lutherische, reformierte, unierte und methodistische Kirchen Europas an. Die KEK repräsentiert rund 380 Millionen Christinnen und Christen. Das Büro der KEK befindet sich in Brüssel. Präsident der KEK ist derzeit der reformierte Pastor Christian Krieger. Die großen Aufgabenfelder der KEK: Im Bereich der Ökumene geht es um Einheit, Identität und dem Bilden von Brücken. Im Bereich der Ökonomie geht es um Gerechtigkeit, Umgang mit Armut und der Beziehung der Welt. Im Bereich der Ökologie geht es um die gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung.
Die KEK-Referentin Ksenia Eggert erläuterte bei der Tagung anhand von Beispielen von Rechtsfällen die unterschiedlich gestalteten Beziehungen zwischen Staat und Kirchen in den verschiedenen Ländern der EU. Sie stellte fest, dass die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Fragen der Religionsfreiheit nicht immer konsistent ist. Insbesondere die Entscheide im Bereich der Blasphemie/Verletzung religiöser Gefühle würden in der Regel die Ansichten der Mehrheitsreligion stärken und seien kaum objektiv begründbar. Die Pandemie sei ein wichtiges Lernfeld gewesen, was den Umgang mit Religionsfreiheit betrifft, so Eggert.
EU und Religionen
Über die Beziehungen der EU-Kommission zu Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgruppen sprach Vincent Depaigne, der dafür zuständige Koordinator der EU. Hier geht es um den Umgang mit Artikel 17 aus dem Vertrag von Lissabon, der die Staaten der EU zu einem regelmäßigen Austausch mit den Religionsgemeinschaften verpflichtet. Traditionell gibt es ein jährliches Treffen des Vizepräsidenten der EU-Kommission mit etwa zehn Leitungspersonen von Religionsgemeinschaften und ein jährliches Treffen mit nichtreligiösen Organisationen. Das sind sogenannte High-Level-Meetings. Themen waren zuletzt etwa die Zukunft Europas, Migration und Asyl oder der Krieg in der Ukraine. Die Themen werden überwiegend von der EU vorgegeben.
Daneben gibt es auch "open sessions", bei denen eine größere Teilnahme möglich ist. Zusätzlich gibt es Treffen mit Expertinnen und Experten, die von den Kirchen angefragt werden. Als ein Beispiel für wichtige Impulse von kirchlicher Seite auf Entscheidungen der EU nannte Depaigne die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus.
"Pathways to Peace"
Katerina Pekridou stellte vonseiten der KEK das Dokument "Pathways to Peace" vor. Als die KEK für Ende Februar 2022 zu einem Vortreffen zur Vorbereitung der Vollversammlung 2023 einlud, war noch nicht absehbar, dass es in Europa bald Krieg geben werde. Dieses Vortreffen ende Februar 2022 wurde dann durch die Situation des Kriegsausbruchs dominiert. Schon bald begann die KEK, verschiedene Aktivitäten aufzunehmen, wie die Kirchen auf den Krieg reagieren könnten. Es gab dazu Treffen zur Sicherheit in Europa und zu innerorthodoxen Problemen.
Kirchenleitende Personen aus der Ukraine wurden regelmäßig eingeladen, an den KEK-Boardmeetings teilzunehmen. Es gab gemeinsame Besuche von Vertretern der KEK und der COMECE (Europäische römisch-katholische Bischofskonferenz) in Polen und an der Grenze zur Ukraine wie auch bei der EU-Kommission und den Ländern, die seit Kriegsausbruch die Präsidentschaft innehatten (Frankreich, Slowakei, Schweden). Während Frankreich keine religiöse Komponente in diesem Krieg wahrgenommen hat, hat sich das inzwischen geändert. Seither gab es unter anderem von der KEK initiierte Treffen, die sich mit der Rolle der Kirchen in diesem Konflikt beschäftigten.
Im Oktober 2022 wurde eine Friedensinitiative gestartet und ein Dokument dazu entworfen: "Pathways to peace" ("Wege zum Frieden"). Im Dokument werden acht Zielsetzungen formuliert: Erstens ein Aufruf zu einer Feuerpause über die Weihnachtstage (inzwischen verstrichen). Zweitens braucht es einen sicheren Ort für Gespräche zwischen kirchenleitenden Personen der Ukraine und Russlands während der KEK-Vollversammlung 2023. (Das muss nicht in einer Plenary-Session sein, sondern kann z.B. auch bei einem Mittagessen.)
Drittens braucht es ein Netzwerk von kirchenleitenden und weiteren Personen zum Austausch und zur Vorbereitung des Friedens zu schaffen. Viertens müsse man für den Wiederaufbau wichtiger religiöser Gebäude in der Ukraine einstehen. Fünftens brauche es Anwaltschaft für Religionsfreiheit für Gruppen und Einzelpersonen, die durch den Krieg betroffen sind. Sechstens will man ein Netzwerk mit europäischen Jugendgruppen stärken, die in Zukunft bei der Friedensarbeit entscheidend mitwirken sollen.
Siebtens will man den Austausch zwischen Bürgern Russlands und der Ukraine ermöglichen, die in anderen Ländern Europas leben, denn hier werden zunehmende Spannungen wahrnehmbar, bzw. kommt es zum Abbruch von Beziehungen. Schließlich soll Achtens ein ökumenisches Konzept von gerechtem Frieden entworfen und unterschiedliche Narrative von Gerechtigkeit und Wahrheit bearbeiten werden.
Funkstille mit Russland
Im Blick auf Russland stellt sich die bei der Tagung besprochene Situation momentan so dar, dass sich Russland seit 2008 wegen eines Konflikts um die Orthodoxe Kirche in Estland aus der aktiven Zusammenarbeit mit der KEK zurückgezogen hat. Sie hat seither einen Status als Beobachter inne. Solange Metropolit Hilarion (Alfejew) als Leiter des Moskauer kirchlichen Außenamts für die Beziehungen zum Ausland zuständig war (bis Juni 2022), kam es noch teilweise zu einer Zusammenarbeit mit der KEK. Seither herrscht Funkstille, Anfragen werden nicht beantwortet. Man muss sich jedoch bewusst machen, dass es innerhalb der Russisch-orthodoxen Kirche (gerade auch bei deren Vertretern in anderen Ländern Europas) unterschiedliche Ansichten hinsichtlich des Krieges gibt.
Bei dem Treffen in Brüssel wurde die KEK-Initiative "Wege zum Frieden" aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Verena Hammes, Generalsekretärin des Ökumenischen Rates der Kirchen in Deutschland, bekräftigte die Erklärung des Rates nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. "Die Ausbreitung von Krieg und Leid steht im Widerspruch zum Bekenntnis Jesu Christi. Es gibt nichts, was Gewalt rechtfertigen könnte. Die Botschaft von Jesus Christus ist für uns alle verbindlich", so Hammes.
Pfarrer Petr Jan Vins, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Tschechischen Republik, bezog sich bei seinen Überlegungen zum Aufruf der Kirche zum Frieden auf den deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der angesichts des nationalsozialistischen Totalitarismus von "teurer und billiger Gnade" sprach. Die billige Gnade sei die Gnade ohne Kreuz, ohne Anstrengung, mit der man sich nur selbst betrügt. "Ich unterstütze die Bemühungen der Kirchen, sich für den Frieden in der Ukraine einzusetzen und dafür zu beten", sagte Vins: "Ich möchte glauben, dass wir dabei nicht nur für einen billigen Frieden eintreten, der in Wirklichkeit eine Beschwichtigung des Aggressors auf Kosten der Angegriffenen ist. Ich möchte für einen Frieden werben und beten, der vielleicht teuer, aber gerecht ist."
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